Von der Führung ins Ruderboot - und vom Ruderboot in die Führung

Von Nicolas Fandrey und Bernhard Sieber

Eine Rudermannschaft ist eine Einheit. Jeder Teil steht in perfekter Harmonie mit dem großen Ganzen. 

Genau dies ist auch die Vision vieler Unternehmen, welche maßgeblich durch ihre Führung beeinflusst und geprägt wird. Soweit die Theorie und damit der skizzierte Idealzustand. Das Faszinierende am Rudern ist die Selbstverständlichkeit, mit welcher die Athleten im Boot in den perfekten Gleichklang finden und sich so als geschlossener Organismus scheinbar intuitiv vorwärts bewegen. Ist es nicht das, was uns auch an sehr erfolgreichen, schnell wachsenden Unternehmen fasziniert?
Natürlich wird ein gutes Produkt/Service vorausgesetzt und das Timing sowie viele andere Faktoren sind wichtig. Doch letztlich sind es die nicht greifbaren Komponenten, die erst retrospektiv als Erfolgsfaktoren erkannt werden.
Genau diese bilden den entscheidenden Faktor solcher Unternehmen. Sie sind kaum kopierbar und noch schwieriger ist es, einen genauen Einblick in ihre Funktionsweise zu erhalten.

Scenic shot of the beach with waves hitting the rocks.

Wir sitzen doch alle im selben Boot

Gibt es dennoch greifbare Hebel, mit denen sich Gruppen von Einzelkämpfern zu einer geschlossenen Mannschaft transformieren lassen? Wir meinen ja!
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Summe der Teile, sowohl im Ruderboot als auch in Unternehmen. 
Im Ruderboot sind Technik und Physis die grundlegende Basis, die jeder mitbringen muss. Erst darauf aufbauend kann die Abstimmung beginnen. Im Ruderboot bedeutet sie ein Hineingleiten in den Moment durch das Loslassen vom Ego und ein Sich-einlassen auf die anderen.

In dieser Balance von Ich und Du entsteht ein Wir: Rhythmus, gestaltet von vielen. Dieser ist schwer greifbar, jedoch genau das, was die Ruderer zusammenschweißt und über ihre Grenzen gehen lässt. Schlussendlich entscheidet er über Sieg oder Niederlage. 

In Unternehmen sind es die gemeinsamen Ziele, Werte, Normen, Rollen und Routinen, die in ihrem Zusammenwirken das höchst individuelle Wir-Gefühl entstehen lassen. Es sind die unterschiedlichen Stärken der Einzelnen, die zu einer Einheit geformt werden. Das Ergebnis ist mehr als die Summe der Teile. Führung und Kommunikation sind die Werkzeuge auf dem Weg dorthin.

Andere zu ändern und ihnen meinen Rhythmus aufzuzwängen, das funktioniert nicht. 

Flow im Kollektiv verlangt stets am Rhythmus zu arbeiten, am Gemeinsamen. Meisterschaft im Wechselspiel von führen und geführt werden zu erreichen. Den eigenen Teil beitragen und den der anderen wahrnehmen. So wird Führung eine Aufgabe eines jeden Einzelnen im Team. Ihr Zweck ist es, füreinander ein Umfeld zu gestalten, in dem jeder seine Bestleistung abrufen kann – Rhythmus eben, in dem gemeinsam mehr möglich wird.

Der eben aufgeführte Absatz ist die Sicht eines Weltklasse-Ruderers. Es könnte aber genauso gut auch Teil einer Unternehmensphilosophie oder -kultur sein.

Führung heißt hierbei, die Stärken zu erkennen und das Umfeld derart zu gestalten, dass es möglich wird, sie im Alltag voll einzubringen. Schwächen werden nur dann bearbeitet, wenn sie der Entfaltung der Stärken im Wege stehen.

Dies verlangt einer Führungskraft und allen Kollegen viel ab.

Stärken zu erkennen, zu fördern und dann noch im Kontext der anderen Kollegen so einzusetzen, dass sie voll zur Geltung kommen, ist eine große Herausforderung. Nur die wenigsten beherrschen sie wirklich gut.

Es geht aber doch auch anders

Zur Teilnahme an Olympischen Spielen bedarf es für die Abstimmung zwischen Ruderern eines kontinuierlichen jahrelangen Trainings an Physis und Psyche. Einmal dort angekommen, können im Rückblick die Muster des Erfolgs erkannt werden. Wieso also diese Kraft des Kollektivs nicht auch als Führungskraft nutzen?

Weil es auch anders geht, weil es „trotzdem funktioniert“, weil wir es „immer schon so gemacht haben“ und weil es sich um einen fortlaufenden Prozess handelt.
Das ist anstrengend. Auf die Bedürfnisse und Grenzen des Einzelnen einzugehen, die Motivation zu identifizieren und auch zu bedienen, ist ein Prozess ohne zeitlichen Ablauf. Diese Aufgabe hat Bestand: jeden Tag aufs Neue. Jeden Tag. Konsequente Entwicklungsarbeit macht sich jedoch immer bezahlt und der Erfolg lässt auf sich genommene Mühen nichtig erscheinen. Mit den richtigen Werkzeugen an der Hand kann dieser Weg zudem noch Freude bereiten.

Am Ende steht immer die emotionale Erlebbarkeit. Das Feedback im Ruderboot ist gnadenlos ehrlich und unmittelbar. Ist der Rhythmus erst gefunden, wird der Aufwand minimiert, die Geschwindigkeit maximiert und das Erleben potenziert - und das ist für jeden spürbar.

Wenn wir es schaffen, solch effektive Feedbackschleifen auch im Unternehmen zu etablieren, dann wird sich dies in unterschiedlichsten Formen von Leistung ausdrücken.

Zum Erfolg aller, dem Kollektiv, und somit auch wieder zum Erfolg jedes Einzelnen, der diesem Ganzen als Teil zuträgt.

Über den Co-Autor

Nicolas Fandrey ist Gründer und Geschäftsführer der G-How GmbH

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„Vom Ich übers Du zum Wir“ - großartige Teamarbeit gestalten